Tragen und “Windelfrei”/Abhalten
Bevor ich auf die Besonderheiten des Tragens bei abgehaltenen Kindern eingehe, möchte ich zunächst die Methode des Abhaltens von Anfang an vorstellen.
Mit dem Abhalten von Anfang an kann man auf sehr natürliche und beglückende Weise auf ein grundlegendes Bedürfnis eines Babys eingehen kann: nämlich sauber und trocken zu sein, mit allen Körperfunktionen wahrgenommen und verstanden zu werden. Obwohl diese Methode auch unter dem Namen “windelfrei” bekannt ist, heißt das nicht, dass man auf Windeln und die damit verbundene Sicherheit verzichten muss. Stattdessen kann man sich über trockengebliebene Windeln und eine gelungene Kommunikation mit seinem Kind freuen – lange bevor es sprechen kann.
Wie “windelfrei” funktioniert
Es funktioniert, da sich selbst ein neugeborenes Kind seiner Ausscheidungen bewusst ist und sein bevorstehendes Geschäft ankündigen kann. Obwohl seine Signale zunächst sehr subtil sind, kann man sie kennen- und verstehenlernen. Dann wird es möglich, das Baby im rechten Moment abzuhalten, anstatt es in die Windel machen zu lassen. Gehalten über eine Schüssel, über die Toilette, ins Gebüsch etc. kann es sein Geschäft entspannt verrichten. Zur Verdeutlichung kann man ihm dabei ein akustisches Zeichen wie z. B. “psss” geben. Mit der Zeit wird man sich intuitiv auf eine gemeinsame Sprache einstellen. Auch das Kleine wird sich dabei immer verständlicher äußern, sodass “windelfrei” oder besser “Abhalten von Anfang an” die Beziehung zwischen Baby und Eltern bzw. anderen Bezugspersonen in einer sehr besonderen Art bereichern und vertiefen kann.
Was weitere Vorteile dieser Methode sind
Das Abhalten ist im Vergleich zum herkömmlichen alleinigen Windeln mit Einweg- bzw. Stoffwindeln wesentlich ökologischer und preiswerter. Auch der Zeit- und Arbeitsaufwand ist mit Ausnahme der ersten Monate geringer. Allerdings erfordert es eine hohe Präsenz und ein sofortiges Eingehen auf das Baby.
Dieses ist dadurch meistens trocken, sauber und zufrieden. Ausschläge im Windelbereich treten so gut wie nicht auf. Auch die Verdauung des Kindes wird positiv beeinflusst, der Stuhlgang erleichtert.
Wenn den Ausscheidungsprozessen des Babys von Anfang an Aufmerksamkeit geschenkt wird, ermöglichen das ihm, sich dieser bewusst zu bleiben. Damit wird die Absurdität umgangen, das Kind erst zu lehren, in die Windel zu machen, und später genau das Gegenteil von ihm zu erwarten.
Wie man erkennt, wann ein Baby “muss”
Erfahrungsgemäß pullern und kackern die Kleinen kurz nach dem Aufwachen und nach dem Stillen fast immer. Gerade am Anfang kann man sich daran gut orientieren und das Baby genau in diesen Momenten abhalten. Auf diese Weise werden wird man gut mit der Methode vertraut und lernt die spezifischen Signale des Kindes kennen. Diese können individuell recht verschieden sein und von Unruhe, mimischen Veränderungen, Weinen, bestimmten Lautäußerungen bis hin zu einem ernsten, in sich gekehrten Blick reichen. Daneben kann man auf seine eigene Intuition vertrauen: Der plötzlich einkommende Gedanke, es sei Zeit, das Kind abzuhalten, ist sehr verlässlich.
Wenn das Baby sich streckt oder sich von seiner Umgebung ablenken lässt, zeigt es an, dass es fertig ist oder gerade nicht muss oder dass es schlichtweg nicht abgehalten werden will, obwohl es “muss”. Das kommt leider auch vor – vor allem in dem Alter, wenn krabbeln und spielen verlockender werden.
Ab welchem Alter man ein Baby abhalten kann
Man kann bereits kurz nach der Geburt mit dem Abhalten beginnen. Gerade die Ausscheidung des klebrigen Mekoniums wird dadurch sehr erleichtert. Allerdings verrichten die Kleinen ihr großes Geschäft in den ersten Lebenswochen oft schon während des Stillens. Wenn die Mutter den Stuhlgang auffangen möchte, sollten sie im Sitzen stillen und dabei ein Gefäß unter ihr Neugeborenes halten. Erfahrungsgemäß dauert es nicht lange und die Kinder unterbrechen das Stillen von selbst, um es erst nach dem Abhalten fortzusetzen. Sollten eine Mama nach der Geburt noch einige Zeit brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen, kann sie mit dem Abhalten auch erst nach einigen Tagen oder Wochen beginnen, ohne dass das langfristig von Nachteil wäre.
Welche Utensilien man benötigt
- mehrere kleine oder auch größere Plasteschüsseln
Gerade im Wochenbett bietet es sich an, wenn man zwei Schüsseln an Ort und Stelle hat, damit eine stets leer und einsatzbereit ist, ohne dass man ständig aufstehen muss.
Für Mädchen reichen solche einfachen Schüsseln aus dem Drogeriemarkt, wie sie hier abgebildet sind. Für Jungen empfiehlt sich doch eher eine spezielle Abhalteschüssel mit Spritzschutz wie das Töpfchen von “Easypisi”, was mit seinem breiten Rand natürlich auch für Mädchen komfortabler ist als eine normale Schüssel.
Für unterwegs ist eine Schüssel mit Deckel ganz praktisch, da es nicht überall Möglichkeiten zur Entsorgung des Inhaltes gibt. Die direkte Benutzung der Toilette ist natürlich auch möglich…
- abhängig von Waschfrequenz und “Erfolgsquote” ca. 30 bis 50 einfache Mullwindeln
Es hat sich bewährt, diese mehrfach zu falten (erst zu vierteln und dann zu dritteln) und als Steg bzw. Einlage zu verwenden.
- zwei bis drei wasserdichte Woll-, Fleece- oder Microfaser-Überhosen
Wichtig ist, dass sich die Windel leicht herunter- und wieder hochziehen lässt und zugleich einfach auswechselbar ist. Die Verwendung von Wegwerfwindeln ist ebenso möglich, allerdings hat das den Nachteil, dass man nicht nachvollziehen kann, wann und wie viel das Baby gepullert hat.
Was die Umsetzung des Abhaltens erleichtert
- zweiteilige Kleidung, also bevorzugt Hemdchen und Strumpfhosen anstelle von Bodys und Strampelanzügen, Verzicht auf Latzhosen mit kompliziertem Verschluss, Benutzung extra für das Abhalten entwickelter Split-Pants etc.
Auf diese Weise kann man den Po schnell freimachen – noch ehe das Geschäft in die Hose gehen konnte.
Für die kalte Jahreszeit ist ein Schneeanzug mit einem Reißverschluss bis auf den Rücken hoch günstig, der sich von beiden Seiten öffnen lässt.
Es gibt bereits eine Menge Online-Shops, die geeignete Überhosen und für „windelfrei“ konzipierte Kleidung anbieten, z. B. “Waldfrau-Windelfreiunikate” und “WindelManufaktur”, um einige aus meiner Region (Dresden) zu nennen.
- gerade anfangs viel Körperkontakt, Tragen des Babys
Unter diesen Bedingungen lässt sich der Rhythmus des Babys gut kennenlernen. Seine Zeichen, etwa Erhöhung des Muskeltonus und seine Versuche, sich aus dem Tuch bzw. der Trage herauszustrecken, können so deutlich wahrgenommen werden.
Es empfehlen sich Trageweisen, bei denen man das Baby herausnehmen und wieder hineinsetzen können, ohne das Tuch bzw. die Tragehilfe neu binden zu müssen – siehe unten.
- Schlafen in einem gemeinsamen Bett
Im Schlaf pullert ein Baby normalerweise nicht. Stattdessen wacht es kurz auf oder wird im Halbschlaf unruhig, was man am besten merken, wenn man dicht bei ihm ist. Wenn man mit einer kleinen Schüssel ausgestattet ist, kann das Baby sein Geschäft sogar unter der warmen Bettdecke verrichten. Denkbar ist aber auch eine große Schüssel vor dem Bett.
Je nach Kind und abhängig von der eigenen Motivation bzw. Müdigkeit kann man die Windel nachts auch ganz weglassen. Für Malheure sollte jedoch immer ein guter Matratzenschutz vorhanden sein.
- Ausprobieren verschiedener Abhalteszenarien von Anfang an
… damit man später das rote Töpfchen nicht zu jedem Einkaufsbummel mitnehmen muss. 😉
Wie häufig es klappt und wie oft etwas daneben geht
In den ersten Monaten, in denen Babys pro Tag 20 bis 25 Mal pullern und auch mehrmals täglich kackern, sollte man mit drei bis acht nassen Mullwindeln pro Tag rechnen, ab dem sechsten Monat mit zwei bis fünf. Das große Geschäft geht erfahrungsgemäß nicht in die Hose. Aber auch hier gilt, dass es Ausnahmen gibt, z. B. während der ersten Wochen oder wenn das Kind krank ist.
Auffallend ist, dass auch schon ganz kleine Babys wirklich genau in dem Moment lospullern, wenn sie in Position gebracht wurden. Trotzdem ist das schnelle Reagieren der Erwachsenen gefragt, denn anhalten können die Kleinen ihr Geschäft nur sehr kurz.
Mit zunehmenden Alter tritt in dieser Hinsicht Entspannung ein. Dann bleibt nach dem Aufwachen und nach dem Stillen genügend Zeit, das Kleine in aller Ruhe zur Toilette zu bringen.
Ob das Abhalten immer gleich gut gelingt
Nein, das ist nicht der Fall. Gerade wenn das Kind zu krabbeln bzw. zu laufen beginnt, sind ihm diese Dinge oft wichtiger. Doch auch wenn es krank ist, wenn es Veränderungen im Tagesablauf gibt oder wenn andere Menschen es betreuen, kann es vorkommen, dass es wieder häufiger in die Windel macht oder sich einfach nicht abhalten lässt (obwohl offensichtlich ist, dass es “muss”!). Auch zu Beginn der kalten Jahreszeit gibt es oft „Rückschritte“.
Manchmal hilft schon etwas Abwechslung, z. B. das Abhalten vor einem Spiegel, sodass es Blickkontakt zum Erwachsenen aufnehmen und dessen Grimassen beobachten kann… Auch ein in die Hand gegebenes Spielzeug kann hilfreich sein, solange es nicht selbst in der Schüssel oder schlimmer noch Toilette landet. Wenn das Kind schon alleine sitzen kann, ist es eine gute Idee, auch mal ein Töpfchen oder eine Sitzverkleinerung für die Toilette auszuprobieren. Mitunter findet das mehr Anklang als das Abgehaltenwerden.
Ansonsten gilt es, die Weigerung des Kindes wohlwollend(!) zu akzeptieren. Nach einigen Tagen geht es dann oft von selbst wieder besser.
Ob das Abhalten auch funktioniert, wenn man es nur gelegentlich praktiziert
Ja. Vorstellbar ist, dass Baby immer dann auch abzuhalten, wenn es sowieso gewindelt wird, oder nur nach dem Aufwachen. Selbst wenn man “nur” das große Geschäft auffängt, spart es doch Zeit und Arbeit. Im Großen und Ganzen ermöglicht man dem Kind auch mit nur gelegentlichem Abhalten, sich seiner Ausscheidungsfunktionen bewusst zu bleiben, sodass es ihm später leichter fallen wird, die Windeln ganz abzulegen.
Wann abgehaltene Kinder “trocken” werden
Je nach Entwicklung des Kindes wird es zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag so weit sein. Da das Abhalten und das Auf`s-Klo-Gehen – wenn es von klein auf praktiziert wird – für das Kind eine absolute Normalität ist, wird es sein „Ich muss mal.“ relativ zeitig gezielt äußern. Auch hier sind die Zeichen sehr individuell und manchmal gar nicht so einfach zu verstehen. So könnte das Kind sein Töpfchen bringen, zur Toilette gehen, an der Hose herumziehen, weinen, etwas sagen oder einfach nur zu auf seine Bezugsperson zugehen.
In jedem Fall empfiehlt es sich, keinen übertriebenen Ehrgeiz zu entwickeln, sondern auch bei jeder nassen Windel ruhig und liebevoll zu bleiben. Die gelegentlich nassen Windeln gehören dazu und sind in höchstem Maße menschlich ;-).
.
Welche Bindeweisen für “windelfrei” geeignet sind
Das sind Bindeweisen, die es ermöglichen, dass man das Baby schnell und unkompliziert aus dem Tuch oder der Trage nehmen und es auch schnell und unkompliziert wieder hineinsetzen kann – ohne neues Binden – da das Baby, wenn man es konsequent abhält, meist nur während des Schlafs über einen längeren Zeitraum ohne Pause in der Tragehilfe ist.
Mit dem normalen Tragetuch sind es folgende Bindeweisen, bei denen das Kind ohne Aufknoten und “Abwickeln” herausgenommen werden kann, das Tuch umgebunden bleiben und das Kind später unkompliziert wieder hineingesetzt werden kann:
- modifizierte Wickelkreuztrage (gekreuzte Tuchbahnen nicht aufgefächert, sondern unter dem Po des Kindes verknotet)
- Doppelkreuztrage (am bequemsten mit Knoten vorn – unter dem Po des Kindes)
- Kängurutrage (am einfachsten mit Knoten vorn unter dem Po des Kindes)
- einfacher Hüftsitz
- Hüftschlinge (mit Knoten unter dem Po des Kindes)
- Hüftsitz mit zwei Tuchbahnen über der Schulter (am besten mit Knoten unter dem Po des Kindes)
Beispiel Doppelkreuztrage:
Beispiel Hüftschlinge:
Mit dem TragetuchPlus mit Bauchgurt ist das einfache Rein und Raus auch hinten, mit der Rucksacktrage, möglich.
Beim RingSling ist natürlich auch ein schnelles Hineinsetzen und Herausnehmen gegeben.
Wie man Meh Dais und Halbschnallentragen so bindet bzw. umnäht, dass man das Kind so einfach wie bei Vollschnallentragen hineinsetzen und herausnehmen kann, werde ich in Bälde unter “Bindeanleitungen für 1 Tragling –> im Meh Dai oder einer Halbschnallentrage” beschreiben. Es ist vom Prinzip her genauso wie beim TragetuchPlus.
Tragen auf Reisen
…
Tragen bei Kälte, Regen oder Schnee
Unter dieser Überschrift wird es einerseits um die passenden Tragehilfen, andererseits um die passende Kleidung für Kind und Tragenden gehen – auch abhängig davon, ob nur eine kurze Runde geplant ist oder ein Ganztagsausflug in den Schnee, ob das Kind zwischendurch aus der Tragehilfe genommen werden muss (zum Stillen und/oder Abhalten) oder ob es ohne Unterbrechung am wärmenden Körper des Tragenden bleiben kann – in dessen Jacke in Übergröße oder einer Jacke mit Erweiterungseinsatz oder einer speziellen Tragejacke oder einem Trageponcho … oder über der Jacke des Tragenden – in dicker Kleidung und/oder unter einer Babytragehülle.
Zur Einstimmung auf das Thema gibt es hier vorab schon einige Fotos:
mit Schneeanzug im Tragetuch – in Mamas Jacke – mit Wollschaltuch für Mamas Hals und Babys Füße;
auf einer Langlauftour (mit minimiertem Sturzrisiko)
im Schneeanzug im Tragetuch – in Mamas Jacke – zusätzlich mit Babytragehülle FelixPera (für die aus der Jacke heraushängenden Füße);
am Skihang, wo die großen Geschwister zu betreuen sind
in mittelwarmer Kleidung im Tragetuch – über Papas Jacke – in der Babytragehülle FelixPera;
auf einem kurzen Winterspaziergang in der Stadt
Tragen während einer Schwangerschaft
…